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Tschechische Republik: leider kein EP-Mandat für die tschechischen Grünen

8. Juni 2009
Von Eva van de Rakt
Von Eva van de Rakt

Mit einem so schlechten Europawahl-Ergebnis haben die tschechischen Grünen (Strana zelených, SZ) nicht gerechnet: Die SZ erhielt nur 2,06 Prozent der Stimmen und landete damit auf dem 9. Platz aller kandidierenden Parteien.

Ins Europäische Parlament (EP) ziehen insgesamt vier tschechische Parteien ein: die ODS (9 Mandate), die Sozialdemokraten (ČSSD, 7), die Kommunistische Partei (KSČM, 4) sowie die Christdemokraten (KDU-ČSL, 2). Die von Jana Bobošíková (MdEP) gegründete euroskeptische Partei "Suverenita" verfehlte knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung betrug -  vergleichbar mit 2004 - 28,22 Prozent.

Der im März gestürzte Premier und Parteivorsitzende der ODS Mirek Topolánek geht mit neun Prozent Vorsprung vor der ČSSD als Wahlsieger aus dieser Wahl hervor. Auch die Sozialdemokraten können einen Erfolg verbuchen: Sie gewannen im Vergleich zu den EP-Wahlen 2004 fünf Sitze dazu.

Schlechtes Signal für Neuwahlen
Das Ergebnis der SZ ist mit den Ergebnissen anderer grüner Parteien aus Mittel- und Osteuropa vergleichbar. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass die Grünen in Tschechien keine außerparlamentarische Kraft sind und bis vor kurzem noch Regierungsverantwortung innehatten. Für die im Oktober anstehenden Neuwahlen ist das Ergebnis der Grünen kein gutes Signal. Mit dem Überspringen der 5-Prozent-Hürde rechneten die tschechischen Grünen gestern zwar nicht mehr, aber man erhoffte sich wenigstens, über 3 Prozent zu kommen. Das Ergebnis der SZ ist schlechter als 2004, damals erhielten sie 3,16 Prozent.

Der grüne Parteivorsitzende Martin Bursík bot noch in der Wahlnacht seinen Rücktritt an. Am Abend des 8. Juni resignierte er. Der bisher erste stellvertretende Vorsitzende Ondřej Liška wird den Parteivorsitz bis zum nächsten Parteitag übernehmen.

Bevor die Partei weitere Schritte in Erwägung zieht, muss sie die Wahlergebnisse im Vorfeld der Neuwahlen sorgfältig analysieren. Während des Wahlkampfes waren die Grünen eine der wenigen Parteien, die den Mut hatten, einen Wahlkampf zu führen, der sich an europäischen und nicht an nationalen Themen orientierte. Die Grünen versuchten, über Facebook junge Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Viele bekannte Künstlerinnen und Künstler und Persönlichkeiten wie Václav Havel unterstützten die Grünen. Trotzdem waren die Grünen nicht erfolgreich.

Gründe für den Misserfolg
Besorgniserregend ist nicht nur das schlechte Ergebnis, sondern auch die Tatsache, dass sich acht der insgesamt 33 kandidierenden Parteien vor den Grünen platzierten. Drei Parteien, die bessere Ergebnisse als die SZ erzielten, kosteten die Grünen wahrscheinlich einige Stimmen: Die "Europäische Demokratische Partei", "Öffentliche Angelegenheiten" sowie "Bürgermeister und Unabhängige - Ihre Alternative. Potenzielle grüne Wählerinnen und Wähler sahen hier wahrscheinlich eine Alternative und die Möglichkeit, ihrem Unmut über die monatelangen innerparteilichen Konflikte der SZ Raum zu verschaffen. 

Die im Frühjahr gegründete "Demokratische Partei der Grünen" (DSZ) vereinte nur 0,62 Prozent der Stimmen auf sich. Auf Listenplatz 2 kandidierte die ehemalige Abgeordnete der SZ Olga Zubová. Ihrem Gesicht entkam man in Tschechien aufgrund der Plakat-Flut der DSZ kaum. Die finanziellen Mittel für die Kampagne erhielt die DSZ aus Spenden des sehr umstrittenen Unternehmers Jaroslav Soukup. Seine Ambitionen, der SZ zu schaden, sind nicht zu übersehen. Auch eine dritte Partei, die in der Bezeichnung das Wort grün verwendet, trat an: Die "Politische Bewegung - Die Grünen (Zelení)" erhielt allerdings nur 0,15 Prozent. Die Gründung der Parteien DSZ und Zelení waren Resultat von Machtkämpfen innerhalb der SZ. Das macht die SZ als Partei aus Sicht der Wählerinnen und Wähler nicht attraktiver. Diese haben es verständlicherweise schwer, sich in einem derartig konfusen Parteienangebot zu orientieren. Hinzu kam ein aggressiv geführter Wahlkampf der beiden großen Parteien, der auf nationale Themen zugeschnitten und sehr polarisierend war.

Die niedrige Wahlbeteiligung hat sich nach Einschätzung vieler Expertinnen und Experten nicht positiv auf das Ergebnis der Grünen ausgewirkt, da die Kernwählerschaft der Grünen nicht groß ist.

Die tschechischen Grünen haben selbst Fehler gemacht, die sie reflektieren müssen und aus denen sie Konsequenzen ziehen sollten: Vorangegangen waren den Wahlen monatelange parteiinterne Konflikte, die in den Medien ausgetragen wurden. Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen war der Ausschluss von vier Parteimitgliedern. Zwei aus der Partei ausgeschlossene Abgeordnete, die schon im Herbst aus der Fraktion ausgetreten waren und daraufhin versuchten, an den Gremien der Partei vorbei ihre eigene Politik zu machen, stimmten im März für das Misstrauensvotum.  Durch das erfolgreiche Misstrauensvotum wurde die Regierungskoalition der ODS, KDU-ČSL und der SZ während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft gestürzt. Die von den grünen Ministern in den Bereichen Umwelt, Bildung, Auswärtiges und Minderheitenrechte erzielten Erfolge konnten aufgrund der Konflikte und der instabilen innenpolitischen Lage nicht ausreichend kommuniziert werden.

Im Wahlkampf selbst kam es außerdem zu unprofessionellen Auftritten, die von der Wählerschaft besonders hart verurteilt und über YouTube und Facebook verbreitet wurden.

Es fehlen neue Gesichter

Ein Problem ist auch, dass die Grünen es in den letzten Wochen nicht wirklich geschafft haben, der Partei neue Gesichter zu verleihen. Spitzenkandidat der tschechischen Grünen war der derzeitige stellvertretende Umweltminister Jan Dusík, der sicherlich eine gute Wahl war. Jan Dusík ist allerdings in der Bevölkerung nicht sehr bekannt und stand in der Wahlkampagne zu sehr im Schatten anderer Kandidatinnen und Kandidaten. Die SZ hätte dieses "neue Gesicht" stärker in den Vordergrund stellen sollen. Viele der Wählerinnen und Wähler wussten leider nicht, dass Jan Dusík der Spitzenkandidat war. Interessant ist, dass die parteilose Kandidatin Jiřina Šiklová, eine im In- und Ausland bekannte Soziologin, auf Listenplatz 4 fast 20 Prozent der Präferenzstimmen auf sich vereinte. Jan Dusík erhielt 8,7 Prozent der Präferenzstimmen, die Abgeordnete und stellvertretende Parteivorsitzende Kateřina Jacques, die auf Listenplatz 2 kandidierte, 11,9 Prozent. 

Für die Tschechische Republik zieht leider kein grüner Abgeordneter ins EP ein.

Stärkste Kraft ist nach wie vor die ODS. Vertreterinnen und Vertreter dieser Partei warnen immer wieder davor, die Vertiefung der europäischen Integration bedrohe die nationale Souveränität der einzelnen Mitgliedstaaten. Der ehemalige Ehrenvorsitzende der ODS, Staatspräsident Václav Klaus, bestimmte jahrelang die Politik dieser Partei. Mittlerweile hat er sich von der Partei distanziert, die ihm zu europafreundlich erscheint. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft und die grüne Regierungsbeteiligung hat der ODS zwar gut getan, die tschechischen Grünen hat ihre eigene Regierungsbeteiligung allerdings viele Stimmen gekostet.

Tschechischer Humor

Die Tschechen tragen vieles mit Humor. Einer der neusten Witze lautet wie folgt: "Gott ruft Obama, Putin und Klaus zu sich und teilt ihnen mit, dass in zwei Wochen die Welt untergehe. Obama und Putin verkünden zu Hause, dass sie eine gute und eine schlechte Nachricht haben: Die gute sei, dass Gott existiere, die schlechte, dass die Welt in zwei Wochen untergehe. Klaus verkündet in Prag, dass er zwei gute Nachrichten habe: Er gehöre zu den drei wichtigsten Männern der Welt und der Vertrag von Lissabon werde niemals in Kraft treten."

Staatspräsident Klaus wird in den nächsten Monaten höchstwahrscheinlich für Aufregung sorgen. In Bezug auf die EP-Wahlen verkündete Klaus am Tag nach der Wahl, es handle sich nicht einmal um "Halbwahlen". Wegen der niedrigen Wahlbeteiligung könne man, so Klaus, nur von "Viertelwahlen" sprechen. Das Absurde an solchen Äußerungen ist, dass gerade Klaus sicherlich nicht zu einer höheren Wahlbeteiligung beigetragen hat. Auch wenn es ihn wahrscheinlich maßlos freut, dass die tschechischen Grünen den Einzug ins EP nicht geschafft haben, werden ihm die dazugewonnenen Sitze der grünen Fraktion im EP sicherlich ein Dorn im Auge sein.

Eva van de Rakt ist Büroleiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Prag.

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